Interessant + Wissenswert
Sagen und Geschichten
Karls erster Schultag
Eine Geschichte aus der alten Schule in Betheln, nacherzählt von Hans-Henning Maas.
Ostern 1931 wurde der 6-jährige Karl Evermann, Sohn des Molkereibesitzers Karl Evermann senior, in die Volksschule Betheln eingeschult. Den Klassenraum betrat man an der Stirnseite. Rechts waren eine große Tafel und eine lange Fensterfront. Links von der Tür standen ein erhöhtes Lesepult, an der Wand ein Schrank und daneben ein großer Kachelofen. Dieser diente im Winter als Heizung. Im Klassenraum wurden jeweils die ersten zwei Jahrgänge gleichzeitig unterrichtet, die Anfänger saßen vorn, die Größeren dahinter.
Bei Karl Evermanns Einschulung nahm der Lehrer Karl Metje jedoch eine kleine Änderung der Sitzordnung vor. „Du, Karl, bist der Kleinste“, sagte er zu ihm. „Du kommst in die erste Bank, sonst sehe ich dich gar nicht.“
Willi, der das erste Schuljahr wiederholen musste, sollte neben Karl auf die erste Bank. „Damit ich dich besser im Blick habe.“
Mit dem Rohrstock in der Hand baute sich Metje vor der Bank der beiden auf und hielt Willi eine Gardinenpredigt. „Alter Freund“, sagte er. „Wenn du dieses Jahr nicht besser lernst und deine Schulaufgaben machst ...“ Und so ging es weiter und weiter.
Während er erzählte, legte Metje den Rohrstock über Willis Kopf hinweg abwechselnd auf dessen linke und rechte Schulter. Jedes Mal, wenn sich der Stock dem kleinen Karl bedrohlich näherte, zuckte dieser verängstigt zusammen. Bis er plötzlich allen Mut zusammen nahm, den Stock ergriff und dem Lehrer aus der Hand riss. „Wenn du so anfängst, dann gehe ich nach Haus!“
Karl stand auf, nahm seinen Ranzen und ging. An der Tür drehte er sich jedoch noch einmal um und warf Lehrer Metje im Rausgehen noch einen Satz hinterher: „Das sage ich dir auch noch, Harzer Käse kriegst du von uns auch nicht mehr!“
Karl versöhnte sich wieder mit Herrn Metje, wurde ein guter Schüler und ging später zur Mittelschule nach Gronau, aber er blieb in seiner Jugend (und darüber hinaus) ein Junge, der stets für einen Schabernack zu haben war. Er starb 2008 im Alter von 83 Jahren.
Autor: Henning Maas
Ort: Alte Schule Betheln (heute Hauptstr. 37)
Schriftgut und Überliefertes
- Sührig, Werner, Ostfälisches Platt im Hildesheimer Land, Veröffentlichungen des Landschaftsverbandes Hildesheim; Band 13 /Olms Verlag 2002
Es handelt sich hierbei um das Sievers-Kese’sche Gesamtwerk. Beigebunden ist das von Heinrich Sievers zusammengestellte Wörterbuch der in Betheln heimischen Mundart, bearbeitet und herausgegeben von Heinrich Kese.
Reprint aus: Schriftenreihe des Heimatmuseums; Band 2/Alfeld a. d. Leine [1955]. Der Band veröffentlicht vielfältiges Material, das die Heimatforscher Sievers und Kese in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesammelt haben. Er ist heute nur noch über Antiquariate zu bekommen.
Werner Sührig gilt als Experte des im Hildesheimer Land früher sehr gebräuchlichen Ostfälischen Platt. Er veröffentlichte ein Gesamtwerk der Texte und Gedichte von Heinrich Sievers, von dem auch dieses Gedicht stammt. Zu diesem Gedicht vermutet Sührig, dass H.S. es um 1900 geschrieben haben könnte, in Erinnerung an seine erste große Liebe, der er als junger Mensch mit vielleicht 20 bis 22 Jahren begegnete. Er ist ja 1900 schon 27 Jahre alt, heiratet aber erst 1910 seine langjährige Ehefrau, mit der er zwei Töchter bekommt.
Liebeskummer
von Heinrich Sievers
Wet ek all lange harr edacht
Niu is et sau ekuemen
Dat Meaken dat möin Alles was
Het sek ’nen andern nuemen
Un da mek plunsch versoipen
Ek möchte mek in Granau woll
’n paar Rattenpillen koipen
Ek möchte mek woll annen Schacht
Mit ’n Aarnsäil uphangen
Ek möchte woll von beobendaal
Von ’n Schuinendaake springen
Ek möchte mek in möinen Bost
’n langet Breotmest stoiten
Ach haar ek man ’n Scheitgewier
Denn kkönn ek mek eok scheiten
Un doch et is niu einmal sau
Et geiht ja nich naan mügen
Un wer sek sau ümmt Liewen bringt
Dä schall eok nich viel düegen
Un wer et sek man recht ankikt
Et is doch schön dat Liewen
Un wat dat Mäeken anbedrept
Et schall eok noch andre giewen
(Ins Hochdeutsche übersetzt von Werner Sührig:)
Was ich schon lange hatt’ gedacht
Nun ist es so gekommen
Das Mädchen, das mein Alles war
Hat sich ’nen andern genommen
Und da mich „Plumps“ ersaufen
Ich möchte mir in Gronau wohl
Ein paar Rattenpillen kaufen
Ich möchte’ mich wohl an einem Ast
Mit ’nem Ernteseil aufhängen
Ich möchte wohl von oben herab
Vom Scheunendache springen
Ein langes Brotmesser stoßen
Ach hätt’ ich nur ein Schießgewehr
Könnt ich mich auch erschießen
Und doch, es ist nun einmal so
Es geht nicht nach dem Mögen
Und wer sich so ums Leben bringt
Der soll auch nicht viel taugen
Es ist doch schön das Leben
Und was das Mädchen anbetrifft
Es soll auch noch andre geben
Leine los!
In den Jahren 2018/19 regte der KulturKreis Gronau e.V. die Bürgerinnen und Bürger der Ortsteile von Gronau an zu erzählen, was in ihren Augen ihren Heimatort besonders auszeichnet, was ihn außerordentlich und lebenswert macht. Im Rahmen des Erzähl-, Schreib- und Theaterprojektes „Leine los!“ kamen so eine Menge Geschichten und Berichte zusammen, die man in Buchform über den KulturKreis Gronau beziehen kann. Alle Orte, die sich mit Geschichten an „Leine los!“ beteiligt haben, sind an Segelbooten wie diesen zu erkennen. Irgendwo an zentralen Stellen und Plätzen sind sie zu entdecken ...
Beim KulturKreis Gronau e. V. ist die Geschichten-Sammlung außerdem in Buchform erhältlich, darüber hinaus die Übersichtskarte für den „Gronauer Kultur- und Geschichtenpfad“.
Berühmte Persönlichkeiten
Heimatdichter Heinrich Sievers
Sievers wurde am 14. November 1873 in Betheln geboren. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Bauer entwickelte und entwarf er viele für die Landwirtschaft nützliche Geräte wie z.B. eine Getreidefördermaschine, die das Einbringen der Ernte erleichterte.
Seine besondere Leidenschaft galt aber der Dichtung in plattdeutscher Sprache. Heinrich Sievers verfasste zu Lebzeiten 75 Gedichte und 36 Geschichten und fasste seine umfangreichen Kenntnisse um die heimatliche Mundart, das ostfälische Platt, außerdem in einem Wörterbuch zusammen. Nach seinem Tode im Jahre 1950 wurde Heinrich Sievers auf dem Bethelner Friedhof beerdigt. Als sein Grab nach 70 Jahren eingeebnet wurde, setze sich der Bethelner Heimatpfleger Hans-Henning Maas dafür ein, den Grabstein zu erhalten. Der Stein hat zum Gedenken an diesen außergewöhnlichen Bethelner Bürger, der auch Bethelner Gemeindevorsteher war und sich für seinen Heimatort einsetzte, einen neuen Platz an der Kapelle des Bethelner Friedhofes bekommen. Seit 2019 steht neben diesem Grabstein eine Gedenktafel, die vom Hildesheimer Werbetechniker Wilfrid Obornik gestiftet wurde. Obornik, der seine Kinder- und Jugendjahre im Haus von Heinrich Sievers verbrachte, kann sich noch gut an die Zeit im Haus an der Mühlenstraße erinnern und möchte das Gedenken an Bethelns Heimatdichter mit seiner Spende unterstützen.
Das Fachwerkhaus von Heinrich Sievers, das schon aus dem Jahr 1839 stammt, steht an der Bethelner Mühlenstraße 1 und fällt durch seinen von Sievers selbst besonders schön gestalteten Eingang auf. Über der doppelflügeligen dunkelgrünen Haustür ist in goldener Schrift die Jahreszahl 1930 und der Spruch „Nur Gottesfurcht gründet echtes Glück“ zu lesen. In diesem Jahr hat Sievers diesen Hauseingang geschnitzt und angebracht.
Hier eine kleine Kostprobe seiner Dichtung – in Originalsprache „Ostfälisches Platt“ und Übersetzung, die für manchen Leser sicher hilfreich ist.
Familie Ohlmer
Der Name Ohlmer ist eng mit Bethelns Dorfgeschichte verbunden, mehrere Familienzweige entwickelten sich im Laufe der Zeit im Ort.
Der erste Ohlmer kam durch Heirat von Nordstemmen nach Betheln. Johann Heinrich Ohlmer heiratete die Witwe des Bethel’schen Pfarrmeierhofes (Burgstemmer Str. 10) und wurde so neuer Pfarrmeier im Dorf. In Betheln offensichtlich als umsichtiger, tatkräftiger und kluger Wirtschafter geschätzt, wählte man ihn, obwohl ortsfremd, als Ortsvorsteher. Noch heute erinnert eine Inschrift über der Tür zum Kirchturm daran, dass Johann Heinrich maßgeblich für den Bau des Kirchturms verantwortlich war. Seine schriftliche Abhandlung über diese Baumaßnahme wird darüber hinaus im Knauf des Kirchturmes aufbewahrt.Über die Erbfolge kam der Pfarrmeierhof an seinen ältesten Sohn Hermann Wolter und später an dessen Ältesten Heinrich Konrad, der kinderlos blieb und den Hofe verkaufte.
Nachdem einige Äcker abgetrennt waren, erwarb Konrad Ohlmer aus Nordstemmen 1869 den Resthof des ursprünglichen Pfarrmeierhofes und führte ihn weiter. Da alle Söhne von Konrad und seiner aus Betheln stammenden Frau Johanne früh verstarben, ging der Hof nach Konrads Tod auf eine seiner Töchter über. Seit 1915 ist somit der Name Ohlmer auf dieser Hofstelle an der Burgstemmer Straße verschwunden, der Hof wird aber bis heute von den Nachkommen der Familie Ohlmer, der Familie Meyer, in 13.Generation weitergeführt. Fotos zeigen hier den Hof heute und in den 1950er Jahren, als das alte Pfarrmeier-Fachwerkwohnhaus noch in der Mitte der Hofstelle lag. Es wurde in den 1970ern abgerissen. Das neue Wohnhaus an der Straße entstand 1911.
Bis 1904 war der Name Ohlmer auch mit der nicht weit vom Pfarrmeierhof gelegenen Mühle von Betheln verbunden, wie hier nachzulesen ist.
Noch einmal taucht der Name Ohlmer in einem ganz anderen Zusammenhang auf, nämlich in Verbindung mit einer kostbaren Sammlung chinesischen Porzellans.
Der Enkel des Pfarrmeiers Hermann Wolter Ohlmer, der 1847 in Betheln geborene Ernst, wuchs in Gronau und Hildesheim auf. 1868 verschlug ihn der glühende Berufswunsch des Seemannes nach Shanghai. Er machte auf verschlungenen Wegen in China Karriere und wurde 1887 zum Seezolldirektor von Kanton ernannt. Hier brachte er es in den folgenden Jahrzehnten zu besonderen Verdiensten als Organisator des Seezolldienstes. Nach 46-jähriger Tätigkeit verließ er China im Jahre 1914 und verlebte seinen Lebensabend bis zu seinem Tod am Neujahrstage 1927 in Hildesheim. Hier schenkte er dem Roemer- und Pelizaeus-Museum seine in China zusammen getragene kostbare Porzellansammlung und legte den Grundstein zur Erforschung der Geschichte der Familie Ohlmer und deren Vorfahren.
Ernst Ohlmer wurde auf dem Marienfriedhof in Hildesheim beigesetzt. Die chinesische Inschrift auf seinem Grabstein bedeutet ins Deutsche übersetzt: „Er tat hingebungsvoll für China bis zum letzten Atemzug seine Pflicht. Das Grab von A Li-Wen. 46 Jahre war er Seezolldirektor. Er ist im Alter von 80 Jahren gestorben.“
In Hildesheim ist außerdem die Ernst-Ohlmer-Straße nach ihm benannt, im Hildesheimer Museum findet man eine Büste, die Ernst Ohlmer darstellt.
Hans Hennecke
Hans Hennecke wurde 1897 als Sohn des Bethelner Pfarrers Edgar Hennecke geboren. Er studierte Germanistik, Anglistik und Romanistik in Berlin und Göttingen und war ab 1930 in Berlin als Lektor für diverse Verlage tätig. 1946 ging Hennecke nach München, wo er bis 1948 die Zeitschrift „Die Fähre“ herausgab. Danach schrieb er als freier Literaturkritiker für deutsche Zeitungen und übersetzte englische und amerikanische Autoren ins Deutsche. Zwischen 1962 und 1968 hielt er als Gastprofessor Vorlesungen an Universitäten in den Vereinigten Staaten und Kanada.
Hennecke spielte als Essayist und Übersetzer seit den Dreißigerjahren eine bedeutende Rolle bei der Vermittlung neuerer englischsprachiger Autoren im deutschen Sprachraum; außerdem setzte er sich für zwischenzeitlich „vergessene“ Autoren wie z. B. Arno Holz, Alfred Mombert und Albrecht Schaeffer ein.
Er war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und des Deutschen PEN-Zentrums und erhielt 1950 den Großen Literaturpreis der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, 1956 die Ehrengabe des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft sowie 1969 für sein Werk als Übersetzer den Johann-Heinrich-Voß-Preis der Darmstädter Akademie.
Wirtschaftsbetriebe
Magische Orte
Beusterburg
Zu finden: Zwischen Betheln und Heyersum. Von Betheln aus der Bethelner Hauptstr. / L480 Richtung Heyersum folgen. In der Kurve vor dem Bach rechts auf dem sogenannten Lukenweg gerade bis zum Waldrand. Nach etwa 1 km geht rechts ein Weg ab. Auf etwa dieser Höhe befindet sich auf der linken Seite die Schautafel über die Beusterburg.
Die Beusterburg ist eine alte Ringwallanlage auf dem nach Südwesten terrassenförmig abfallenden Rücken des „Schiefen Berges“ am Westhang des Hildesheimer Waldes. Sie gilt als die größte noch erhalten gebliebene Befestigungsanlage der jüngeren Steinzeit im niedersächsischen Bergland und wird auf ein Alter von 5000 Jahren geschätzt. Die Beusterburg ist zwischen den Bachtälern des Rottebaches im Süden und des Nordbaches im Norden angelegt worden. Etwa 400 m östlich entspringt die Beuster, nach der die Anlage benannt ist.
Heute leider nicht mehr gut zu erkennen, gehörten zur Beusterburg ein Wall, ein Graben sowie ein Palisadenring, die an mehreren Stellen durch Erdbrücken durchbrochen waren. Die Grabungsbefunde legen nahe, dass die Durchlässe mit Pfosten und Hölzern verschlossen werden konnten. Forscher vermuten, dass es sich bei dieser Anlage um ein Viehgehege gehandelt haben könnte. Für diese Vermutung sprechen auch die Nähe zu Salzquellen, die am Fuße des Hildesheimer Waldes bei Heyersum vorhanden waren, sowie die beiden Wasserläufe nördlich und südlich der Beusterburg.
Bei Ausgrabungen wurden Keramikreste, Feuersteine sowie Feuersteinklingen gefunden, jedoch keine Hausgrundrisse.
Weitere Informationen sind zu finden unter www.beusterburg.de