Geschichte
Geschichtliches
Bockenem liegt im Zentrum des Ambergaus, einer historischen Landschaft und gleichzeitig naturräumlichen Einheit im südlichen Niedersachsen. Die heute etwa 10 x 10 km umfassende Beckenlandschaft mit fruchtbaren Ackerböden ist von den bewaldeten Höhenzügen des Hebers, des Harplage, des Wein- und Hainberg umgeben. Von Süden nach Nordosten durchfließt den Ambergau die Nette.
Die Bezeichnung Ambergau setzt sich zusammen aus dem Begriff Amber aus dem indogermanischen Sprachraum und ist mit Feuchtigkeit, Wasser oder Nebel zu übersetzen, während Gau für die Bezeichnung eines geschlossenen Siedlungsraums von Germanen steht.
Schaut man zurück in die Geschichte des Ambergaus, so hatte dieser im Mittelalter weitaus größere Ausmaße. Man unterschied den oberen (heute Seesen/ Rhüden), den mittleren (heute Bockenem) und den unteren Ambergau (heute Holle), deren Hauptort Dahlum eine Siedlung um einen lokalen Adelshof bildete. Nach 782 wurde das gesamte Ambergau-Gebiet zu einer Grafschaft erhoben. Um das Jahr 1000 existierten mit einer Ausnahme bereits alle Ortschaften der heutigen Stadt Bockenem. Ihre Zahl ging mit insgesamt 25 Orten sogar weit darüber hinaus. Ebenso wie der sich unter Kaiser Otto I. zum ottonischen Königshof entwickelnde Adelshof Dahlum sind heute jedoch einige nur noch als Wüstung bekannt.
Bis zum 14. Jahrhundert hatten sich die drei Bereiche des Ambergaus jedoch voneinander getrennt. Zu diesem Zeitpunkt teilten sich den ehemals einheitlichen Raum das Bistum Hildesheim und das Herzogtum Braunschweig, nachdem die Grafen vom Wohldenberg, die seit 1225 über die Hoheitsrechte im Ambergau verfügten, sich aus heute nicht mehr eindeutig nachzuvollziehenden Gründen zum Verkauf großer Teile ihres Besitzes entschlossen hatten. An die Grafen vom Wohldenberg erinnert aber bis heute das Wappen Bockenems. Es zeigt den Wohldenberger Turnierkragen, der das rot-goldene Wappenschild diagonal durchkreuzt.
Seit Beginn der Neuzeit wird im amtlichen Schriftverkehr und der allgemeinen Umgangssprache unter dem Ambergau nur noch der Mittlere Ambergau und somit das Gebiet um den heutigen Ort und Verwaltungsmittelpunkt Bockenem verstanden.
Die Aufwertung des zunächst relativ unbedeutenden Dorfes Bockenem zu einer Stadt hängt zusammen mit dem Bedeutungsverlustes des Königshofes Dahlum sowie mit der zentralen Lage Bockenems im Ambergau. Es entwickelte sich eine von Süd nach Nord verlaufende Verkehrsverbindung, die sich bei Bockenem sowohl in Richtung Braunschweig als auch in Richtung Hildesheim gabelte.
Aus einer Urkunde vom 16. Oktober 1300 geht hervor, das Bockenem noch unter den Grafen zu Wohldenberg Stadtrechte erteilt wurden, was durch die damit einhergehenden Marktrechte zu großem wirtschaftlichem Aufschwung im 14. Jahrhundert und einer Blütezeit der Stadt im 15. Jahrhundert führte.
Aufgrund seiner Grenzlage zwischen dem Bistum Hildesheim und dem Herzogtum Braunschweig erhielt Bockenem unter dem Bischof von Hildesheim eine Stadtbefestigungsanlage. Innerhalb dieser Stadtmauern bildeten sich vier Quartiere heraus, von denen das ursprüngliche Dorf Bockenem das älteste war. An die Befestigungsanlage erinnern heute allerdings nur noch die Namen einiger Straßen (z.B. Nordwall, Südwall, Steintorstraße, Lange Burgstraße). Sie wurde nach einem Stadtbrand im Jahre 1785 komplett niedergelegt, die dabei gewonnen Steine für den Wiederaufbau der Häuser genutzt, Wälle abgetragen und Gräben zugeschüttet.
Durch die zunehmende Ansiedlung vor allem von Handwerkern, aber auch Kaufleuten erlebte die Stadt großen wirtschaftlichen Aufschwung. Bereits im Mittelalter existierten dort die vier Hauptgilden der Kaufleute, Schuhmacher, Bäcker und Fleischer, die am Markt ein gemeinschaftliches Kaufhaus, das spätere Rathaus, betrieben und später eine Schneider- sowie eine Leinenwebergilde.
Doch auch der Landwirtschaft kam innerhalb der Stadtmauern besondere Bedeutung zu. Denn alle Bürger lebten zu dieser Zeit als Selbstversorger. Noch heute erinnern einige Ackerbürgerhäuser an das ökonomische Fundament Bockenem, das bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts erhalten blieb.
Mit dem Beitritt Bockenems zur Sächsischen Hanse im Jahre 1427, zu der damals die 14 wichtigsten Städte des nördlichen Mittelgebirgsraumes zwischen Elbe und Weser zählten, erreichte die Stadt den Höhepunkt ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung. Ziele dieses Bündnisses waren, den Handel in der Region zu fördern, Handelswege zu sichern und sich wenn nötig gegenseitig Schutz zu gewähren.
Diese Blütezeit endete mit dem Ausbruch der Hildesheimer Stiftsfehde im Jahre 1519 zwischen dem Bistum Hildesheim und dem Herzogtum Braunschweig. Der Krieg und ein Brand im Jahre 1522 richteten verheerende Schäden an und vernichteten Dreiviertel der Stadt. 1523 fiel Bockenem schließlich an das Herzogtum Braunschweig. Auch die Folgen des 30jährigen Krieges, mehrerer Pestepidemien und zahlreichen Stadtbränden warfen die Stadt in ihrer Entwicklung immer wieder zurück, zerstörten weite Teile der Bebauung, insbesondere das gewerbliche Viertel der Stadt, brachten wirtschaftliche Entfaltung und landwirtschaftliche Produktion zeitweise zum Erliegen und führten zu einer lang anhaltenden Phase der Depression. Erst der letzte katastrophale Brand in der Geschichte Bockenems im Jahre 1847 war Anstoß für neue und positive Entwicklungen der Stadt. Sie wurde vollkommen neu aufgebaut und erhielt ein verändertes Grundrissbild mit breiteren und begradigten Straßen.
Ab dem 19. Jahrhundert siedelten sich mehrere Industriebetriebe in Bockenem an, zu denen eine später über die Grenzen der Stadt hinaus bekannte Glocken- und Turmuhren-Fabrik, eine Konservenfabrik, eine Zuckerfabrik, eine Molkerei, eine Zigarrenfabrik und eine Brauerei gehörten.
Als Vorreiter- und Musterort der NS-Zeit blieb Bockenem während des 2. Weltkriegs von Bombenangriffen verschont. Deshalb wird das Bild der historischen Bockenemer Altstadt vom geschlossenen Fachwerkcharakter jüngerer Zeit, nämlich der nach dem letzten Stadtbrand geprägt. Ein Drittel der Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz und der Ort ist daher seit 1990 Haltepunkt auf der Deutschen Fachwerkstraße.
Seit 1974 ist das ca. 4.300 Einwohner zählende Bockenem Verwaltungsmittelpunkt der Stadtgemeinde Bockenem mit insgesamt 17 weiteren Dörfern des Ambergau und vereint damit alle Orte der beiden ursprünglichen Hildesheimer- und Braunschweiger Ambergau-Teile. Bockenem liegt an der B 243 und hat einen Anschluss an die Autobahn 7, über die Hildesheim und Hannover im Norden, Braunschweig im Osten und das südlich gelegene Göttingen sowie der Naturpark Harz schnell zu erreichen sind.
Trotz der Schließungen der alten Industriebetriebe, die den wirtschaftlichen Entwicklungen nach dem 2. Weltkrieg nicht standhielten, wird die ökonomische Struktur Bockenems bis heute durch die Neuansiedlung größerer und mittelständiger Firmen sowie durch zahlreiche Dienstleistungsbetriebe und ein breitgefächertes Handwerk geprägt. Die politischen Bemühungen der letzten Jahre zielen daher auf die Sicherung und Förderung dieser wirtschaftlichen Bedingungen, auf eine Verbesserung der Infrastruktur, aber auch auf die Sanierung der Altstadt und die Dorferneuerung der zur Stadtgemeinde zählenden Orte. Mit der Aufnahme ins Dorfentwicklungsprogramm des Landes Niedersachsen erwartet die Stadtgemeinde Bockenem außerdem öffentliche Gelder über das ILEK (Förderung von integrierten ländlichen Entwicklungskonzepten) und das Förderprogramm städtebaulicher Denkmalschutz.
Eine umfangreiche Sammlung von Texten, Karten, Bildern und Dokumenten zu Bockenem und allen Orten der Umgebung werden außerdem seit Jahrzehnten im Stadtarchiv von Bockenem zusammengetragen. Wer noch intensiver forschen und mehr erfahren möchte, wird sicher dort fündig.
Historische Baulichkeiten
St.-Pankratius-Kirche
Zu finden: Buchholzmarkt
Die St.-Pankratius-Kirche, die am höchsten Punkt der Stadt liegt, ist eine gotische, dreischiffige Hallenkirche, die trotz der großen Schäden, die sie vor allem beim letzten Stadtbrand im Jahre 1847 davongetragen hat, wieder aufgebaut wurde wie der Kirchenbau zur Zeit seiner Weihe im Jahre 1403.
An ihrer Stelle hatte es schon eine dem Heiligen Mauritius geweihte Vorgängerkirche gegeben, denn von Bockenem aus begann nach 1050 die Christianisierung des Ambergaus. Zu dieser Zeit war Bockenem Sitz eines Archediakonats und am 26. Oktober 1234 wurde in der Kirche eine Synode abgehalten. Erhalten geblieben war von dieser Kirche jedoch nur der Kirchturm im Westen, der allerdings nach einem Blitzschlag im September 1783 bis auf die Grundmauern niederbrannte und völlig neu aufgebaut werden musste. Seitdem trägt er ein barockes Dach.
Betritt man die Kirche vom Buchholzmarkt aus durch das ebenfalls barocke Nordportal, findet man über diesem eine Darstellung des Heiligen Pankratius, zu erkennen an Ritterrüstung und Schwert. Pankratius war ein um 290 n.Chr. geborener Ritter, der im Alter von 14 Jahren wegen seines christlichen Glaubens in Rom den Märtyrertod starb.
Die schlichte und klare Architektur in Bruchstein, die drei gleich hohen Kirchenschiffe und die hohen gotischen Fenster sorgen für einen hellen und ausladenden Innenraum. Der Chor hat dieselbe Höhe wie die Kirchenschiffe, alle werden von einem Kreuzrippengewölbe überspannt. Hoch über dem Chor hängt hier ein mächtiges hölzernes Triumphkreuz aus dem Jahre 1450. Dieses war über viele Jahre auf dem Dachboden der Kirche in Vergessenheit geraten, bei Renovierungsarbeiten im Jahre 1968 wiederentdeckt worden und hat seitdem wieder einen Platz in der Kirche. Ebenfalls zu dieser Zeit wiedergefunden wurden zwölf holzgeschnitzte und farbig gestaltete Apostelfiguren, die sich nun auf Konsolen an den Säulen rund um den Altarraum befinden. Diese waren ursprünglich Vollfiguren, von denen beim Brand von 1847 jedoch nur ihre Büsten erhalten geblieben sind. Aus der 1802 säkularisierten Kirche des Michaelisklosters in Hildesheim stammt die mit wertvollen Intarsien ausgestattete Kanzel. Das bronzene Taufbecken in der südöstlichen Ecke des Chores wurde der Kirche 1703, wie der unter dem Deckelrand verlaufenden Inschrift noch heute zu entnehmen ist, vom damaligen Bürgermeister Heinrich Philippi und seiner Frau Anna Tietgen gestiftet. Hier befindet sich auch eine große Holztruhe aus dem Jahre 1847, die der Aufbewahrung von Messgewändern und -geräten diente.
An der Südseite der Kirche wurde im Zuge der schon erwähnten Renovierungsarbeiten ein Wandgemälde freigelegt, das die Szene vom Barmherzigen Samariter zeigt.
Im nordöstlichen Chor steht eine Marienfigur des zeitgenössischen und in Mahlerten lebenden Künstlers und Bildhauers Donato Diez, dessen Werke u.a. auch an der Michaeliskirche in Hildesheim und in der Kirche und auf dem Friedhof von Nordstemmen zu sehen sind.
Das Bronzekreuz auf dem schlichten Steinaltar ist ein Werk des deutschen Bildhauers Ulrich Henn (1925 - 2014), der hier Geschichten aus dem alten und neuen Testament dargestellt hat. Von ihm stammen auch eine Bronzetür der Andreaskirche in Hildesheim und der Bugenhagen-Brunnen auf dem dortigen Kirchplatz.
Die drei farbig gestalteten Fenster im Chor zeigen links die weinenden Frauen am Kreuz und rechts den auferstandenen Christus. Im mittleren Fenster sehen wir den auf dem Thron sitzenden Christus, darunter die Reformatoren Martin Luther auf der linken und Johannes Bugenhagen auf der rechten Seite.
Zu erwähnen ist außerdem die 1854 von Johann Andreas Engelhard geschaffene mächtige Orgel, die zuletzt 2006/07 umfangreich überarbeitet und erweitert wurde und seitdem die Menschen in und um Bockenem nicht nur während Gottesdiensten, sondern auch im Rahmen vieler Konzertveranstaltungen mit ihrer Klangfülle erfreut.
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© Verena Bloch
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Die Gottesdienstzeiten der Kirchengemeinden in den Dörfern des Ambergau können Sie unter https://www.kirchengemeindeverband-ambergau.de erfahren.
Superintendentur (Tilly-Haus)
Zu finden: Kirchhof/Am Papenberg
Südlich und unterhalb der St. Pankratius-Kirche liegt das bedeutendste nichtsakrale Gebäude Bockenems, die unter Denkmalschutz stehende historische Superintendentur. Der vordere dreigeschossige Teil des spitzgiebeligen Fachwerkbaus stammt aus dem Jahre 1523, der zweigeschossige Anbau aus dem Jahre 1584. Das gesamte Gebäude zeichnet sich nicht nur durch reiches Balkenwerk mit Vorkragungen und Verzierungen, sondern auch durch wechselnde Steinornamentik aus.
Im Balken der nördlichen Wand ist in Höhe des ersten Stocks das kleine Flachrelief eines geharnischten Mannes mit Schwert und Kirchenmodell eingeschnitzt. Hier begegnet uns noch einmal St. Pankratius, der Patron der Bockenemer Kirche. Ebenfalls auf dieser Seite im angeschlossenen zweigeschossigen Bauteil ist die Inschrift Durch Weissheit wirdt ein Haus gebauwet und durch Verstant erhalten zu lesen. Sie geht zurück auf das Jahr der Fertigstellung des Anbaus sowie auf Johann Schaper, der von 1567 bis 1592 das Amt der ersten mit einer Generalsuperintendentur verbundenen Pfarrstelle innehatte und auf Johann Schimler, der bis zu seinem Tod im Jahre 1621 Pastor (Caplan s. Inschrift) auf der zweiten Pfarrstelle war. Der dritte im Schriftzug zu erkennende Name ist vermutlich der des verantwortlichen Zimmermannes Cort Sisenis.
Im Balken über der Tür auf der Ostseite findet man das Bockenemer Wappen, an der Nordost- und Südostecke jeweils fratzenartige Verzierungen, sogenannte Neidköpfe. Zu den Übeln, gegen die sich die Menschen des Mittelalters zur Wehr setzen mussten, gehörten nicht nur der böse Blick, sondern auch der Neid. Man brachte deshalb an Fachwerkhäusern grimmig dreinschauende Gesichter an, die den Neidern die Zunge herausstrecken.
Da die historische Superintendentur während des Dreißigjährigen Krieges eine zeitlang die Feldherren Tilly und Wallenstein beherbergte, wird sie auch Tilly-Haus genannt. Bis 2004 Sitz der Superintendentur der ev. Kirche des Kirchenkreises Bockenem-Hoheneggelsen ist es seit einer kirchlichen Neuorganisation Sitz der ev. Stadtkirche und Wohnhaus des Pfarres. Das Gebäude ist daher nur von außen zu besichtigen.
Heiliggeist-Kapelle & Beginenhaus
Zu finden: Winkel
Südöstlich des Kirchenareals liegt der älteste Straßenzug Bockenems, der zurecht den Namen Winkel trägt: die Straße ist eng und winklig, ihre Fachwerkhäuser klein und niedrig. Noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wohnten hier viele Schuhmacher und Klein-Handwerker.
Beim verheerenden Stadtbrand 1847 blieb dieser Straßenzug, der mit dem Rodentau und anderen kleinen Straßenstücken den ältesten Teil Bockenems bildeten, vom Feuer weitgehend verschont. Den Mittelpunkt dieses alten Dorfes bildete wie überall in der Gegend ein Dorfplatz, der auch hier Thie genannt wurde. Als mit zunehmender Ausdehnung Bockenems dieser Platz an Bedeutung verlor, wurde er mit der St. Spiritus-Kapelle (Heiliggeist-Kapelle) und dem Beginenhaus überbaut.
Die kleine gotische Kapelle aus hiesigem Sandstein hatte vermutlich eine deutlich ältere Vorgängerin auf dem Thie Bockenems, worauf ein romanisches Fenster auf ihrer Ostseite hindeutet. Damit ist sie von ihrer Bausubstanz das älteste sakrale Gebäude der Stadt. Sie wurde 2012 profaniert (entweiht) und an einen Privatmann verkauft.
Ähnlich ging es dem direkt auf der anderen Straßenseite liegenden schönen Beginenhaus. Das weiß gekalkte Fachwerkhaus entstand etwa 1351 als Stiftung und war als Spital für armer Leute Nothdurft bekannt. Als städtisches Armen- und Witwenhaus bewohnten es ältere und alleinstehende Frauen, die in einer christlichen Gemeinschaft ohne Ordensgelübte lebten. Wegen hoher Unterhaltungs- und Renovierungskosten verkaufte die Stadt das Beginenhaus 2004 ebenfalls an eine Privatperson.
Weder Kapelle noch Beginenhaus sind zu besichtigen.
Brauergildehaus, altes Amtsgericht und Ackerbürgerhäuser
Zu finden: Königstraße
Von der Westseite der St. Pankratius-Kirche hat man einen schönen Blick hinunter auf die Königstraße und ihre Häuser.
Hier fallen zunächst einige für Bockenem typische Fachwerkhäuser auf. Es handelt sich hierbei um Ackerbürgerhäuser, die in der Stadt nicht nur hier, sondern auch in anderen Straßen der Altstadt noch häufig zu finden sind. Kennzeichend für diese Ackerbürgerhäuser ist eine große Toreinfahrt für Pferd und Wagen in der Vorderfront von der Straße her. Stall und Scheune befanden sich auf dem Grundstück hinter den Häusern. Im Untergeschoss der Häuser lagen die Wirtschaftsräume, im Obergeschoss wohnte man.
Etwas weiter nördlich in der Königstraße liegt das alte Brauergildehaus, in dem sich heute eine gleichnamige Gaststätte befindet. Das Brauergildehaus wurde nach einem der zahlreichen Brände in Bockenem neu aufgebaut. Hier konnten die Reihebürger, d.h. die Bürger, die in der Reihe ein von Generation zu Generation weitergegebenes Anwesen und damit auch das Braurecht besaßen, ihr Bier brauen.
Folgt man der Königstraße in dieser Richtung noch ein paar Schritte weiter, erreicht man das Gebäude des vormaligen Amtshauses. Dieser größte Profanbau der Stadt steht an der Stelle einer ehemaligen Zigarrenfabrik, die ihre Produktion 1847 in die Wasserstraße/Markt verlagerte. Im 1854 fertiggestellten Amtshaus befanden sich auch die Räume des Amtsgerichts. Als dieses 1972 geschlossen wurde, verkaufte die Stadt das Gebäude. Heute befindet sich hier ein Ärztehaus.
Junkernhof
Zu finden: Lappenberg
Der Junkernhof ist der einzige erhalten gebliebene Teil eines Vogthofes in Bockenem. Er gehörte zur Bockenemer Burganlage, in der ein Vogt des Hildesheimer Bischofs residierte und dessen Interessen als oberster Stadtherr vertrat. Lediglich dieses Gebäude und die Straßennamen in der direkten Umgebung (Lange Burgstraße, Nordwall, Burgstraße und Steintorstraße) erinnern heute noch an die alte Burg und die Burganlagen. Der Junkernhof wurde nach dem großen Brand 1847 neu aufgebaut und wird heute privat zu Wohnzwecken genutzt. Reste der alten Stadtmauer sind noch am heutigen Busbahnhof zu sehen.
Königsturm
Zu finden: An der B243 zwischen Bockenem und Bornum, rechte Straßenseite
An der B243 zwischen Bockenem und Bornum steht unübersehbar der Königsturm, ein alter runder Sandsteinturm, der seinen Namen aus gutem Grund trägt. Denn er lag über Jahrhunderte an der alten Königsstraße, der via regia, die vom Königshof Brüggen an der Leine über die Kaiserpfalz Dahlum (Namensgeberin des Ortes Königsdahlum in der Nähe) bis zur Pfalz Werla führte. Der 16 m hohe, mächtige Turm entstand um 1440 und war einer von fünf Türmen der Bockenemer Landwehr, deren Errichtung Bischof Johann III. in Auftrag gab, um das Fürstentum Hildesheim vom Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel abzugrenzen und die Bürger Bockenems zusätzlich zur Stadtbefestigung vor Überfällen und Plünderungen zu schützen. Jeweils drei Schießscharten sind in den beiden oberen Geschossen noch heute zu sehen. Eine aus Quadern hergestellte Türeinfassung im ersten Geschoss lässt erkennen, dass dort in sicherer Höhe der ursprüngliche Eingang zum Turm lag. Alle fünf Wehrtürme, von denen heute nur noch dieser Königsturm bei Bockenem existiert, waren mit einer Zollstation versehen. Über fast 400 Jahre wurden am Königsturm mit Unterbrechungen Handels- und Wegzölle erhoben. Nach dem Bau eines neuen Zollgebäudes im Jahre 1800 diente das alte neben dem Turm stehende Zollhaus als Scheune. Als das neue Zollhaus schon zwei Jahre später mit dem Verlust der Souveränität des Fürstbistums Hildesheim an die Preußen seine Bedeutung verlor, wurde das Gebäude als Wohnhaus und bis 1925 auch als Gaststätte genutzt. Beide Gebäude sind heute in Privatbesitz und stehen ebenso wie der Turm unter Denkmalschutz.
Der Königsturm wurde 1995/96 aufwändig restauriert und 2004 sein 560jähriges Bestehen gefeiert, die Wetterfahne mit der Jahreszahl 1829 deutet aber darauf hin, dass zumindest das kegelförmige Dach des Königsturms schon eher reparaturbedürftig gewesen ist. Innen ist der prächtige Turm heute hohl, das hölzerne Treppenhaus wurde schon während des 2. Weltkrieges verfeuert. Aber das stört die heute darin lebenden Fledermäuse und Turmfalken nicht im Geringsten.
Auf den Spuren der deutschen Könige und Kaiser kann man noch heute die via regia erwandern. Eine Strecke von etwa 180 Kilometern führt durch das Wesertal, das Hildesheimer Land und das nördliche Harzvorland, auf der auch der Königsturm und die Ambergauorte Königsdahlum, Ortshausen und Bornum liegen. Die gesamte Strecke beschreiben Thomas Dahms und Gerhard Kraus in ihrem Buch "Der Königsweg Corvey-Werla", über den man hier mehr erfahren kann.
Spuren von historischen Produktionsstätten
Die Entwicklung des von Handwerkern und Ackerbauern geprägten Bockenem nahm eine entscheidende Wende mit der Ansiedlung mehrerer Industriebetriebe, von deren Existenz man im heutigen Stadtbild jedoch kaum noch etwas erahnen oder gar sehen kann. Umfangreiches und anschauliches Informations- und Bildmaterial wurde aber im Museum der Zeit am Buchholzmarkt zusammengetragen.
Turmuhrenfabrik Weule
Zu finden: Johann-Friedrich-Weule Straße/Steintorstraße, Gebäude existieren nur noch zum Teil
Den Anfang machte der in Alt-Wallmoden geborene Uhrmacher Johann Friedrich Weule, der 1836 ein von Beginn an florierendes Uhrmachergeschäft in Bockenem eröffnete. Obwohl dieses Geschäft beim letzten und größten Brand 1847 den Flammen zum Opfer fiel, verließ Weule die Stadt nicht, sondern wagte mit der Konstruktion und dem Bau von Turmuhren einen Neuanfang. Den ersten Auftrag erhielt er aus den benachbarten Königsdahlum, bald darauf einen noch entscheidenderen für die Turmuhr der Marktkirche von Goslar. Um sein bis dahin noch kleines Unternehmen ausweiten zu können, kaufte er ein Grundstück Am Alten Friedhof, von dem aus er kontinuierlich expandierte. Bis zu seinem Tode im Jahre 1897 umfasste sein Besitz das gesamte Areal bis zum Ausgang der Steintorstraße. Hier standen auf der Nordseite der Industriebetrieb und das Wohnhaus der Familie Weule, während der Unternehmer auf der Südseite einen großen Garten hatte anlegen lassen. Nach der Umstellung der zunächst handwerklichen auf industrielle Fertigung wurde auch die Herstellung von Glocken in das Programm der Herstellung aufgenommen. Die Thurm-, Hof- und Eisenbahn-Uhren-Fabrik von J.F. Weule zu Bockenem entwickelte sich zum führenden Unternehmen Deutschlands auf diesem Sektor und lieferte Uhren und Glocken in alle Länder der Erde. Johann Friedrich übertrug seinen Besitz 1897 auf seine Söhne Friedrich und Wilhelm und bis zum Jahre 1898 war die Fabrik mit 75 Beschäftigten der größte Arbeitgeber Bockenems. Nach dem Tod Friedrichs, der bis dahin Inhaber der Turmuhrenfabrik blieb, ging sie auf dessen Sohn Friedrich über und nur ein Jahr später 1953 in Konkurs.
Auf dem Gelände dieses ersten Industriebetriebs Bockenems besteht heute ein Lebensmittelverbrauchermarkt. Teile des Wohnhauses sind noch erhalten geblieben und an dem hohen und schlanken Glockentürmchen auf seinem Dach zu erkennen. Darüber hinaus erinnern zahlreiche große und kleine Glocken an unterschiedlichen Stellen der Stadt, z.B. am Buchholzmarkt zwischen Kirche und Museum, an dessen Westgiebel oder auch am Ortseingang an der Bönnier Straße an die ehemals so erfolgreiche und weltbekannte Turmuhrenfabrik. Die wahren Prachtstücke der Firma Weule sind allerdings im Turmuhren- und Heimatmuseum am Markt zusammengetragen worden. Den Besucher erwartet hier in mehreren Räumen eine umfangreiche Sammlung von Uhrwerken aus der Produktion Weules, zu der zahlreiche große Kirchturmuhrwerke mit Handaufzug ebenso wie kleinere Werke mit elektrischem Aufzug gehören.
Auch zu weiteren Industriebetrieben der Stadt, die überwiegend von Bürgern Bockenems oder der direkten Umgebung gegründet wurden, findet man im Museum Informationen.
Zuckerfabrik
Zu finden: Gebäude existieren nicht mehr
Auf die Turmuhrenfabrik folgte im März 1873 die Gründung der Aktien-Zuckerfabrik Bockenem durch mehrere Landwirte aus den umliegenden Dörfern und zwei Bockenemer Kaufleute, die ihre Zuckerproduktion 1977 einstellte und deren Gebäude fünf Jahre später zum großen Teil abgerissen wurden.
Konservenfabrik (heute Meteor GmbH)
Zu finden: Industriegebiet Nord, Gebäude existieren aber nicht mehr in dieser Gestalt
An der 1895 gegründeten Konservenfabrik beteiligten sich fünf Bürger Bockenems, zu denen auch der Turmuhren-Fabrikant Johann Friedrich Weule gehörte. Sie entwickelte sich zu einem insbesondere während der beiden Weltkriege erfolgreichen und ganzjährig produzierenden Unternehmen, dass über die Stammbelegschaft hinaus bis zu 300 Saisonarbeiterinnen beschäftigte. Durch eine völlig veränderte Marktsituation und innerbetriebliche finanzielle Engpässe musste die Konservernfabrik ihre Produktion jedoch 1949 einstellen. Auf dem fortan ungenutzte Betriebsgelände nahm aber sechs Jahre später das neu in Bockenem startende Unternehmen, die Meteor Gummiwerke, seine Fertigung auf und erweiterte seine Produktkapazitäten kontinuierlich. 2012 musste Meteor Insolvenz anmelden und wurde im April 2014 von Toyoda Gosei, einem Unternehmen der Toyota Gruppe übernommen. Seit Ende 2019 ist Meteor Elastomer Solutions der neue Eigentümer, das Unternehmen firmiert seitdem unter Meteor GmbH.
Ebenfalls von Bedeutung für Bockenem waren eine Brauerei und ein Molkereibetrieb, beide stellten ihre Produktion jedoch Mitte des 20. Jahrhunderts ein und die Gebäude sind nicht erhalten geblieben.
Zigarrenfabrik
Zu finden: Wasserstraße
Zu sehen ist allerdings noch das Gebäude einer kleinen Zigarrenfabrik in der Wasserstraße in Bockenem, in dem heute zwar keine Rauchwaren mehr hergestellt werden, das aber privat genutzt wird.
Blaufärberei (heute Kulturladen)
Zu finden: Buchholzmarkt 13
An der Ostseite des Buchholzmarktes steht das noch erhalten gebliebene Fachwerkgebäude einer Blaufärberei, in dem sich heute der Kulturladen Bockenems befindet. Noch bis ins 19. Jahrhundert lebten und arbeiteten in Bockenem und den umliegenden Dörfern etwa 50 Leinenweber, deren Stoffe hier in der Blaufärberei weiterverarbeitet wurden. Dabei wurden weiße Stoffe mittels hölzerner Model und in mehrschrittigen Färbeverfahren mit unterschiedlichsten Flächenmustern oder Bordüren indigoblau gefärbt.
Der heute in der Blaufärberei beheimatete Kulturladen ist einer der bekanntesten Kulturveranstaltungsorte in Bockenem und bildet zusammen mit Kulturbüro, Kulturscheune und romantischem Hof ein kulturelles Zentrum für Stadt und Umgebung. Nähere Informationen zum Programm des Kulturladens und seinen regelmäßigen Veranstaltungen finden sich hier.