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Von den Bodensteiner Klippen, die steil und zerklüftet auf dem Steinberge bei Bodenstein aufragen und stumpfe Kegel und Bastionen bilden, trägt die eine den Namen Geresklippe.

Der Knecht Andreas Geres hatte eine Braut in Mahlum, der er die Ehe versprochen hatte. Ihr Verkehr mit Geres war nicht ohne Folgen geblieben. Nun aber war in Königsdahlum ein schönes Mädchen, das er noch lieber heiraten wollte, weil es ihm besser gefiel als die Mahlumer Braut. Wie aber sollte er seine Braut loswerden? Als er an einem Herbstmorgen beim Roten Tor am Ortshäuser Bach pflügte, kaum auf dem Wege von Bockenem nach Mahlum ein Mann daher, der nach Mahlum wollte. Da kam der Pflüger ein teuflischer Gedanke. Er rief dem Manne zu: He, Nabber, sagget doch minen Mäken, et solle hille na de Großmudder in Dahlum komen, dei liggt sterbenskrank! - Dat will eck bestellen! sagte der Mann und ging nach Mahlum.

Es dauert eine knappe Stunde, da kommt die Mahlumer Braut beim Roten Tor angelaufen, um auf dem schnellsten Wege nach Königsdahlum zu kommen, wo ihre Großmutter wohnte. Als sie auf Geres zueilt, um ihm noch schnell Guten Morgen! zu sagen, nimmt er sein Messer und ersticht sie. Die Leiche wirft er in den Graben und bedeckt sie mit Weidenzweigen. Darauf bringt er das Gespann ins Dorf und kündigt seinen Dienst.

Geres läuft in den Wald, um sich zu verstecken. Wird man die Tote finden?, so klingt's ihm in den Ohren. Er verbringt schlaflos die Nacht. Am Morgen klettert er auf die höchste Klippe, von dort kann er das Rote Tor sehen. Da kommt aus dem Bockenemer Steintor der Kuhhirt mit seiner Herde, um mit ihr zu den Weiden am Ortshäuser Bach zu ziehen. Als er das Rote Tor erreicht, kann Geres erkennen, wie der Hund auf den Graben zuläuft, unentwegt bellt und sich nicht zurückrufen läßt. Der Hirt eilt hinzu und findet die Ermordete.

Nun hält nichts mehr den Mörder auf der Klippe, sein Herz will zerspringen. Er flieht nach Braunschweig, wo man ihn, wie er denkt, nicht finden wird. Hier bleibt er einige Tage. Dann redet er sich ein: Wer kann es mir beweisen, daß ich es getan habe, es hat ja keiner gesehen. Er kauft die Dahlumer Braut eine Tüte Zwiebäcke und begibt sich nach Königsdahlum. Im Dorf sieht man ihn eigenartig an, er wird unruhig. Doch wer will mir die Tat nachweisen? Mit diesem Gedanken tritt er in das Haus. Als das Mädchen ihn erblickt, schreit es laut auf und läuft davon. Vor dem Hause sammeln sich die Leute, beherzte Männer gehen hinein, greifen den Mörder und übergeben ihn der Obrigkeit.

Am 17. Februar 1792 wurde Andreas Geres auf der Richtstätte vor Bockenem hingerichtet. Es war die letzte Hinrichtung, die vor Bockenem stattfand. Der Klippe aber, auf der der Mörder nach seiner grausigen Tat gestanden hatte, gab man zur Warnung den Namen Geresklippe.