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Topfhändler Wallbaum

Wie aber wurde der Hauptberuf, die Bäckerei, um die letzte Jahrhundertwende noch ausgeübt? Damals ganz anders als heute. Viele, ja wohl die meisten Kunden, mengten den Brotteig selbst an und brachten den fertigen Teig zum Backhause. Tags zuvor wurde von dort der erforderliche Sauerteig geholt und das Backen für den nächsten Tag bestellt. Das Anmengen wurde von den Hausfrauen abends und das Kneten des Teiges in den frühen Morgenstunden besorgt. Damit der Teig rechtzeitig zum Backhause kam und niemand die Zeit verschlief, wurde „angesagt"
Das geschah in der Regel durch den Bäckerlehrling, der die Beteiligten in der Frühe um 5 Uhr aufsuchte, an das Kammerfenster klopfte und laut „anmengen" rief.

Diese Übung hatte sich einmal der als Schalk bekannte Conrad Wallbaum für einen Streich zunutze gemacht, den er der Frau des Schutzjuden David Seelig spielte, die in der Zweftje Nr. 4 wohnte. Wallbaum, der nachts um 2 Uhr am Hause vorbei kam und sich auf dem Wege nach der Habeneyschen Dreschscheune befand (um diese Zeit wurde bei den Bauern bei spärlichem Laternenschein mit dem Schwingen des Dreschflegels begonnen), klopfte bei der alten Seeligschen ans Fenster und rief mit verstellter Stimme: „Sei möttet knäen!"

Mutter Seelig, die ja, wie fast alle Leute in der damaligen Zeit, keine Uhr hatte, begab sich sofort an die Arbeit und brachte alsbald den fertigen Teig nach dem Backhause. Hier fand sie jedoch die Tür verschlossen. Nach kräftigem Rackeln an der Tür öffnete der Bäcker ein Fenster und fragte: „Seeligsche, wu willt Se denn all henn, et is doch irst klocke zwai?"

Fluchend zog die Angeführte mit ihrem Teig wieder ab und war auf dem Rückwege auf der rechten Fährte, wie sie bei Habeneys Scheune dem gerade geffelnden Wallbaum durch den Türspalt zurief: „Wallbaum, Du Knäter"!

Sein Andenken ist übrigens am alten Backhause auf einem Holzschild von Künstlerhand in Gestalt eines querpfeifenden Stockkiepenträgers und Topfhausierers festgehalten.

Erzählt von Ludwig Böker